Pädagogische Projekte – Missionierung oder Alibiaktivitäten?


L. Hofmann-Engl

Neue Musik – heute?
Oktober 2012
MICA, Wien Modern und die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien


Abstrakt - 2012

Unter der Regierung der Labour Party des Vereinigten Königreichs zwischen 1997 und 2010 wurde die Finanzierung von Musikprojekten zunehmend mit dem Anspruch verknüpft, daß diese Projekte einen pädagogischen Inhalt und auch einen lokal sozialen Bezug haben sollten. Unter der jetzigen Regierung sind finanzielle Förderungsmittel in vielen Bereichen nicht nur gekürzt sondern gestrichen worden. Diese vorherige Entwickelung unter Labour wirkte sich auch auf die damals agierende Komponistengruppe Chameleongroup of Composers aus und kulminierte in 1999 in einem Projekt, das Schulunterricht und Aufführung von neuer Musik verknüpfte. Allerdings muß gestanden werden, daß die Berührungsangst zwischen Komponisten und Schülern auch während der Projektdurchführung nicht vollends beseitigt werden konnte. Dies spiegelte sich besonders in der Tatsache, daß die Aufführung der Musik der Schüler und die der Komponisten getrennt stattfand und keine der Schüler das “richtige” Abendkonzert besuchten. Trotzdem berichteten die Schüler, daß sie durch das Projekt viel gelernt hatten. Angeregt durch den relativ guten Erfolg von diesem Projekt leiteten in 2009 vorherige Mitglieder der Chameleongroup of Composers das Mussorgsky Family Projekt, welches durch die National Lottery gefördert wurde und den Schwerpunkt auf partielle Improvisation legte. In 2010/11 wurde dann das musikalische Früherziehungsprojekt Musik Talks to All, diesmal mit Förderung durch das damalige Department for Children Schools and Families (jetzt das Department for Education and Skills), durchgeführt. Obwohl es durchaus stimmen kann, daß der musikpädagogische Aspekt gewissermaßen anfänglich ein Alibi darstellte, hat sich diese Tendenz doch so durchgesetzt, daß die größeren Musikorganisationen in England, wie zum Beispiel das London Philharmonic Orchestra oder das English Camber Orchestra, inzwischen ihre eigene musikpädagogische Abteilung haben. Dennoch ist es bislang kaum gelungen, die Kluft zwischen allgemeiner Hörerschaft und ernster Musik zu überbrücken. Dies ist eine Situation, die durch die momentan herrschende Kulturpolitik der Conservatives nicht gefördert wird. Dennoch besteht kaum ein Zweifel, daß die Überbrückung dieser Kluft nicht nur für die allgemeine Hörerschaft sondern auch für den ausübenden Musiker und Komponisten sehr fruchtbar sein kann und ein integraler Bestandteil einer vorwärtsgerichteten Kulturpolitik sein sollte.

Der Vortrag ist als solches here.



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Chameleon Group of Composers � 2012